24.01.2022 516 Arouca, die längste Fußgänger-Hängebrücke der Welt, Dourotal

Manchmal weiß man erst am Abend, dass es der perfekte Tag war…

Die Sonne scheint und es hat die Nacht über gereift, das Gras auf den Feldern ist weiß überzuckert und die Sonne bringt es zum Glitzern. Das Frühstück steht mit frischen Früchten, Brötchen, Orangenkuchen und duftendem Kaffee bereit. Heute ist der Tag, auf den ich schon vor unserer Reise hin gefiebert habe, wir werden die längste Fußgänger-Hängebrücke der Welt betreten, die Arouca 516.

Online haben wir unsere Tickets gekauft, haben die Nacht zuvor in einem noblen Hotel eingecheckt und müssen nur 1 km gehen, um an einem der Brückenköpfe zu sein. Marcus hat noch am Abend vorher recherchiert, dass man das ganze zu einer Rundwanderung am Flussufer ausbauen kann.

Pünktlich um 11 Uhr dürfen wir zur Brücke mit einem weiteren Ehepaar, wir bekommen noch Fakten über die Brücke erzählt: 516 m Länge, Höhe 175 m, 2017 Baubeginn, 2020 Juli Fertigstellung, Eröffnung Mai 2021, 2.1 Millionen Kosten, 127 Metallgittermodule, 2 Stahlseile tragen die Brücke, damit sie nicht ins Wanken kommt wurden noch zusätzliche die Seile gekreuzt angebracht, alles über dem kleinen Fluss Paiva.

Auf geht’s, wir machen die ersten Schritte und da höre ich leise diese innere Stimme: „Das ist aber hoch!“ „Ich glaube ich will das nicht!“, die Stimme wir immer lauter: „Was machen wir hier eigentlich?“ „Ich bekomme weiche Knie“ und dann wird sie unüberhörbar. „Ich geh zurück, ich kann das nicht! Guck mal meine Hände verkrampfen am Geländer und ich kann glaube ich nicht mehr gehen so sehr zittern meine Beine!“ Okay Zeit für eine kurze Abfrage an meinen Körper: „hmm, Füße?“ die gehen ganz brav ohne Zögern weiter, „Atmung?“ ganz normal, „Puls?“- ganz normal, „Hände?“ baumeln ganz normal beim Gehen, hä? Moment! Sie baumeln? Und da merke ich, dass es gar nicht meine innere Stimme ist, sondern Marcus Äußere hinter mir, mit Pressatmung. Ich drehe mich um und sehe das kreidebleiche Gesicht meines Ehemannes, die verkrampften Hände an beiden Geländerseiten und dann noch dieser verzweifelte Gesichtsausdruck. Ich erzähle ihm von unserem Zoobesuch, den er sich für morgen ausgesucht hat und gehe langsam weiter. Ich erzähle von den Pinguinen, wie in Australien, von dem Cassowary, den er gefüttert hat, (gleich haben wir ein Viertel der Brücke geschafft), ich erzähle von dem Kookaburra, der mir das Steak geklaut hat und dann sind wir auf der Hälfte angelangt.

„Du bist genau in der Mitte, jetzt kannst du umkehren, wenn du willst.“ Marcus entspannt sich langsam, nimmt zögerlich die Hände vom Geländer und geht den Rest nicht mehr ganz so angespannt. Inzwischen wird mir klar, warum er sich mit der Rundwanderung so ins Zeug gelegt hat, er wollte auf keinen Fall die Brücke wieder zurückgehen. Muss er auch nicht mehr, denn er hat bewiesen, dass er es einmal geschafft, das reicht vollkommen aus.

Der Brückenguide fragt noch, ob Marcus irgendetwas braucht, während ich ihm über den Rücken streichele und sehr stolz auf ihn bin. Nach ein paar Triumpfminuten gehen wir den Holzplankenweg bis zum Flussbett, wir sind ganz allein, außer einem Eichhörnchen, das auf dem Weg hockt.

Die andere Hängebrücke über den Fluss ist da im Vergleich eher ein langweiliges Unterfangen, selbst für Marcus. Wir kraxeln über Wanderwege die Schlucht auf der anderen Seite wieder hoch, kommen an Kettenhunden vorbei, an einer alten Frau mit 12 Katzen und einem schnaufenden Schwein in seinem Stall.

Nach einem Picknick in der Sonne sind wir wieder am Auto und werfen einen letzten Blick zur Brücke.

Wir fahren die romantische Route entlang des Douros, machen Fotostopps und genießen Kaffee mit Pastel de Nata an einem Tankstellencafe und überlegen, welches Hotel wir für diese Nacht buchen, aber eigentlich ist uns beiden schon klar, dass es wieder das Autobahnhotel wird. Und in der Tat bekommen wir auf Nachfrage auch unser altes Zimmer wieder. Es ist ein bisschen wie nach Hause zu kommen.

Diesmal sind wir rechtzeitig zum Sonnenuntergang an der Mündung des Douros und sehen dem Naturschauspiel am Strand eine halbe Stunde zu, bis die Sonne komplett im Meer versunken ist und ganz leise höre ich die inneren Stimmen im Gleichklang: „das war heute so unvergesslich schön!“


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